Freitag, 3. Oktober 2008

Biden siegt inhaltlich -- doch Palin überrascht

Auf Sonjas Vorschlag hin hatten wir gestern Abend das Vergnügen, die TV-Debatte der beiden möchtegern Vizepräsidenten im geselligen Kreis junger Republikaner anzusehen -- natürlich auf Fox News. Wer hätte gedacht, dass man es im liberalen New York schafft, eine ganze Kneipe mit jungen McCain-Palin-Fans voll zu kriegen ;)

Die Reaktion des Publikums entsprach ungefähr meiner Einschätzung: Palin war deutlich besser als erwartet -- selbst die jungen Republikaner haben mit einer Blamage gerechnet. Nach den Katastrophen-Interviews der letzten paar Tage, hat das "Boot Camp" mit McCain-Beratern Wirkung gezeigt. Palin war frech, manchmal sogar witzig, durchaus sympatisch und hat ihre auswendig gelernten Textpassagen ohne großes Stottern unters Volk bringen können (nun ja, als Antworten auf die ihr gestellten Fragen waren sie häufig etwas daneben). Auch optisch konnte sie in ihrem schwarzen Kostüm überzeugen ;)

Joe Biden, der dazu neigt in der dritten Person von sich zu sprechen, hatte inhaltlich natürlich häufig die Nase vorne. Man merkte bei vielen Themen einfach, dass sein Wissen nicht nur auf Last-Minute-Einarbeitung beruht. Am Anfang war er noch etwas blass, kam dann aber in Fahrt und hat am Schluss ein wirklich hervorragendes Abschlussstatement gehalten, das (hoffentlich) noch einmal was gerissen hat. Besonders im Bereich Außenpolitik und Wirtschaft konnte Biden(eher) überzeugen als Palin.

Doch auch sie hatte ihre starken Momente: In der Energiepolitik ist sie nicht so angreifbar wie der ewig-gestrige McCain. In Alaska hat sie sich frühzeitig mit dem Klimawandel auseinandergesetzt und hat Konzepte für eine größere Unabhängigkeit der USA von ausländischer Energie vorgelegt. (Wer meinen letzten IPS Artikel gelesen hat, weiß allerdings, dass Offshore drilling und Ölbohren in Alaska niemanden retten wird)

Und wer war nun der Sieger? Nun, so einfach lässt sich das nicht sagen. Die Schwäche beider Kandidate war, dass sie kaum aus dem Schatten von McCain bzw. Obama treten konnten und deren Positionen häufiger vertraten als ihre eigenen. Palin konnte in dieser Hinsicht noch eher Kante zeigen als Biden, der häufig darum bemüht war, frühere Streitigkeiten zwischen ihm und Obama zu relativieren.

Inhaltlich dürfte es dennoch keine Debatte geben, dass Biden -- obschon auch häufig sehr vage -- fundierter argumentiert hat als die flapsige Sarah. Doch es sollte sich keiner etwas vormachen: Nur weil Biden schon seit Urzeiten im Senat sitzt, heißt das noch nicht, dass er ein grandioser Politiker ist (das gilt auch für McCain). Fähig ist er, kein Zweifel, aber das Kaliber eines Al Gore (oder -- ich wiederhole mich -- einer Hillary Clinton) hat er auf keinen Fall. Er war an diesem Abend dennoch der inhaltliche Sieger. Viele zusätzliche Stimmen für Obama dürfte er allerdings nicht erzeugt haben.

Palin kann auf jeden Fall von sich behaupten, dass sie der McCain-Kampagne nicht noch weiteren Schaden zugefügt hat. Und -- auch das sollte man nicht außer Acht lassen: Bei den Wählern, die mehr nach Sympathie oder Identifikationskraft wählen, dürfte sie gepunktet haben. Und davon gibt es in den USA eine ganze Menge (übrigens auch in Deutschland: "Schröder war mir einfach sympathischer, deswegen hab ich ihn gewählt"). Ob das allerdings ausreicht, um McCain aus dem Abwärtssog der Wirtschaftskrise zu ziehen? Man wird sehen.

Zum Schluss noch Kritik an beiden Kandidaten: Wenn man eine Frage beantwortet, sollte man zumindest kurz auf deren tatsächlichen Inhalt eingehen -- und nicht nur die eigene Agenda zum 20. mal runterbeten.

1 Kommentar:

gXXL hat gesagt…

Hab ein paar Schnipsel im heute-Journal gesehen, da kam mir die Frau auch sympathischer und "näher am Menschen" rüber (hat ja auch auf ihre Familie usw. verwiesen). Is an sich ja ganz nett, aber für mich wär das noch lange kein Argument, sie zu wählen. Die Fernsehduelle find ich an sich aber viel zu überbewertet. Wenn ich wähle, dann informiere ich mich doch über seine Ziele und wie er die erreichen will. So was wie ein Fernsehduell is dann nur noch eine Zugabe, mehr nicht.