Dienstag, 7. Oktober 2008

Bröckelndes Wahrzeichen - Teil 2

Wer die zweite TV-Debatte zwischen Barack Obama und John McCain verfolgt hat, darf sich fragen, ob sich die Renovierung des UNO-Hauptquartiers in New York (angesprochen in meinem letzten Post) überhaupt noch lohnt:

Trotz aller Gegensätze herrschte zwischen den beiden Präsidentschaftsanwärtern schnelle Einigkeit darüber, welche Bedeutung eine Entscheidung des UN-Sicherheitsrats hat, wenn diese den eigenen, amerikanischen Interessen widerspricht: Selbstverständlich gar keine! USA first, vergesst die Vereinten Nationen.

Während Deutschland sich noch um einen Sitz im Weltsicherheitsrat bemüht, arbeiten Demokraten und Republikaner schon an der Marginalisierung der UN -- anstatt sich redlich um eine Reform des Systems zu bemühen, die dringend notwendig ist. McCain hat stattdessen eine neue Vision: Eine "Liga der Demokratien". Es dürfte nur schwierig werden, deren Mitglieder auszuwählen. Wie wir uns alle noch erinnern werden, nennen sich Staaten gerne einmal "demokratisch", ohne es wirklich zu sein. Auf deutschem Boden ist das noch nicht allzu lange her. Immerhin darf die UNO-Generaldebatte noch dazu herhalten, um McCains Teamkollegin Sarah Palin mit ein paar Staatschefs zusammenzubringen, damit sie ihre mangelhafte Erfahrung in Sachen Außenpolitik ("I can see Russia from my house") aufpolieren kann.

Die Geringschätzung der UN durch die USA macht eine Zusammenarbeit der internationalen Gemeinschaft bei allen drängenden Problemen (Naher Osten, Iran, Georgien, Darfur etc.) nur noch schwieriger: Wenn das mächtigste Land der Welt sich nicht für Entscheidungen des Sicherheitsrates interessiert -- und das offen ausspricht --, wieso sollten sich Länder wie Iran oder Nordkorea daran halten? Wieso sollte für Achmadinedschad gelten, was für Obama und McCain nicht gelten sollte? Wieso verlangen die beiden aber, dass sich jeder -- außer Amerika -- daran zu halten hat?

Und die Kandidaten -- insbesondere der Demokrat Obama, der ansonsten der klare Sieger der Debatte war -- teilen noch einen weiteren Tiefschlag an die Weltorganisation aus: "Hätten die USA den Völkermord in Ruanda verhindern können, so hätte sie es getan", sagt Obama -- und beweist Lücken in seiner historischen Bildung. McCain, der auch 1994 schon in Lohn und Brot des US-Senats saß und sein militärisches Urteilsvermögen nicht genug rühmen kann, pflichtet ihm gern bei.

Jedoch: Keine andere Regierung als die amerikanische Clinton-Administration hat in Ruanda weitreichendere Blauhelm-Aktionen verhindert -- und dem Massenmord an 1 Mio. Menschen zugesehen.

Angesichts all der offenen UN-Schelte muss ich sagen: Natürlich hat das System gravierende Mängel, es ist intransparent, ineffizient und alles andere als reaktionsschnell. Doch für nicht gerade wenige dieser Probleme sind die USA zu großen Teilen mitverantwortlich, weshalb sie auch an deren Lösung mitwirken sollten. Doch davon war im US-Wahlkampf bisher nichts zu hören.

Den beiden Präsidentschaftskandidaten sei außerdem noch geraten, etwas diplomatischere Töne anzuschlagen: Obama ruft nach amerikanischen Militäraktionen in Pakistan, McCain will mit Iran hart ins Gericht und für Russland, dessen aggressive Politik sicher auch ein Aufbegehren gegen fast zwei Jahrzehnte Geringschätzung durch Amerika ist, haben die beiden nur Drohungen übrig.

Ach ja, hat während der zweiten TV-Debatte irgendjemand etwas über den Nahost-Friedensprozess gesagt, der eine Schlüsselrolle im Kampf gegen den Terror und für die Stabilität der ganzen Region spielen dürfte? Nein, ich glaube nicht...

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Super Analyse der (gähn) 2. Debatte mit UN-Blick. Habe noch keine interessantere Einschätzung der Debatte gelesen, spiegel/stern/ftd/sueddeutsche.de erzählen nur WIE es war, nicht was gesagt wurde. Außerdem hast du völlig recht: egal ob Obama oder McCain, die Außenpolitik wird nicht multilateraler werden und country first gilt auch für Obama, der sinngemäß sagte, dass die USA ihre Interessen NICHT denen des Sicherheitsrates unterordnen wird. Den Sicherheitsrat hat Obama als Blockadeinstrument von China und Rußland beschrieben, darum werde auch er wenn es hart auf hart kommt darauf verzichten. So viel zum Thema „change“.
Und tatsächlich haben die Kandidaten fast vergessen in ihrer Debatte Israel zu erwähnen! Nur Obama hat kurz vom "wichtigsten und größten Alliierten der USA" gesprochen. Nah Ost fand also in einem Nebensatz statt. Voll die Unterbewertung, da stimme ich dir voll zu!
Kriegst von mir einen AWARD of BEST DEBATE-Berichterstattung ;) Grüße aus D.C.

Sponk hat gesagt…

Also wenn ich in unserm Häuschen in Langwasser aus dem Fenster schau, dann kann ich für meinen Teil zu Recht behaupten "I can see Russia from my house" :)
Finds klasse, dass man durch deinen Blog mal ein etwas anderes Statement als in den Zeitungen bekommt.
Bleib am Ball und bring den Ammies mal dein Weltverbesserungsdenken bei :)
Grüße aus der Heimat