Montag, 6. Oktober 2008

Bröckelndes Wahrzeichen


57 Jahre ohne Generalüberholung. Wer kann das schon noch von sich behaupten? Viele Amerikaner(innen) jedenfalls nicht. Wohl aber das UN-Hauptquartier in New York. 1951 gebaut hat der Bau von weitem kaum an Eindruckskraft verloren: Noch immer spiegeln sich die umstehenden Gebäude und der East River in der breiten Glasfront des Sekretariatsgebäudes. Auch der Sitzungssaal der Generalversammlung wirkt in TV-Übertragungen erhabener als die meisten nationalen Parlamente. Doch bei näherem Hinsehen ist aller Glanz verschwunden.

Die Fassade -- insbesondere des Versammlungsgebäudes -- ist längst nicht mehr strahlend weiß, sondern von Abgasen verschmutzt. Die gepflasterten Flächen rund um den Komplex haben den Kampf gegen Unkraut, das sich aus allen Fugen drängt, längst aufgegeben. Die Sicherheitskontrollen finden in einem Zelt statt.


Und es kommt noch dicker: Die Sitzungsräume, deren Architektur, wie die des gesamten Gebäudes, nach wie vor sehr ästhetisch ist, stellen nicht nur optisch eine Zeitreise in die 50er dar. Die Polster der Stühle sind abgewetzt, Armlehnen aufgerissen, am Metallgestell der Sitze bröckelt der Lack. Die Kopfhörer für die Übersetzung sehen aus wie in frühen Stark Trek Episoden und den Zustand des Teppichbodens in vielen Bereichen des Hauses sollte sich jeder selbst einmal ansehen. Vorsicht sei außerdem all jenen geboten, die sich im Treppenhaus durch die Uno bewegen: Hin und wieder taucht unverhofft eine große Pfütze am Boden auf. Ich habe damit schon so meine Erfahrungen.

Besonders hübsch sind der dritte und vierte Stock des Sekretariats, wo Presse, Agenturen und TV-Sender ihre Büros haben. Beige Metallwände strahlen den Charme eines Luftschutzbunkers aus, die Neonröhren in den Büros (die teilweise keine Fenster haben -- so auch das von IPS) flackern. Oder sie gehen gar nicht, was besonders in dem Gang, der alle Postfächer beinhaltet, enorm hilfreich ist. Da es auch an Entsorgungsroutinen zu fehlen scheint, hat sich eine Wand im vierten Stock kurzerhand zum Sperrmüllsammelplatz entwickelt. Eine wahre Augenweide für Kenner der Technikgeschichte. Um keinen falschen Eindruck entstehen zu lassen: Auch die Büros außerhalb der für die Medien bestimmten Stockwere sind definitiv vor dem Feng-Shui-Zeitalter entworfen worden.


Nun aber die Pointe: Die öffentlichen Schulen von New York haben dieses Jahr ihre Besuche im UN-Hauptquartier eingestellt -- da das Gebäude den Feuerschutzrichtlinien nicht entspricht. Kontrollen in 2006 und 2007 haben 866 (!) Verstöße festgestellt, von fehlenden Feuerschutztüren über fehlende Rauchmelder bis hin zu fehlenden Sprinkleranlagen. UN-Mitarbeiter behaupten zwar, das Gebäude sei sicher. Dennoch ließ man für 2,7 Millionen Euro neue Feuerschutztüren einbauen -- mit dem hervorragenden Ergebnis, dass diese für behinderte Menschen so gut wie gar nicht passierbar sind. Deswegen -- da die UN ja nicht behindertenfeindlich sein will -- stehen die Feuerschutztüren ("Fire door! Keep closed!") jetzt den ganzen lieben langen Tag offen. Und die Schüler bleiben weiterhin fern.

Auch in Sachen Wasserverbrauch stellt die Weltorganisation ürbigens kein Vorbild dar: Überall tropfende Wasserhähne oder defekte Toilettenspülungen, die unentwegs fließen. Ach ja: Im New Yorker UN-Hauptquartier werden außerdem Papiertücher zum Abtrocknen verwendet, Hand-Föns Fehlanzeige.

Alle hoffen jetzt auf die erste Renovierung des gesamten Gebäudekomplexes, die langsam aber sicher in die Gänge kommt und etwa 1,9 Milliarden Dollar kosten soll. Und die etwa 6000 Beschäftigten im Gebäude fragen sich schon jetzt, wo sie dann eigentlich untergebracht werden.

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Hier noch mein letzter Artikel:

POLITICS: Kosovo's Independece Bid Could End Up in Court

Lege ich allen JONA-Kosovo-Fahrern natürlich sehr ans Herz ;)

3 Kommentare:

Sponk hat gesagt…

Das ist der Anfang vom Ende. Wenn sogar schon die Gebäude der einst strahlenden Stad New York den Bach runter gehn....Wo soll das noch hinführen

gXXL hat gesagt…

Erinnert mich irgendwie an die PhilFak :)

Wolfgang hat gesagt…

Mist, wieso ist mir der PhilFak Vergleich nicht eingefallen ;)